Hofmarken
waren früher alltäglich:
eine besondere Art Dörfer,
die es ab der Zeit der Gotik
nur in Bayern gab.
Mitte des 19. Jahrhunderts
wurden die etwa 600 Hofmarken
in Niederbayern aufgehoben.
Damals lebte etwa die Hälfte
der bäuerlichen Bevölkerung
in einer Hofmark.
H.-P. Luibl
Ansicht der Hofmark Gern von Süden (Leinwandgemälde, 18. Jh., Schloss Arnstorf)
Wie sah eine Hofmark aus?
Eine Hofmark war eine mehr oder weniger große Siedlung aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit - einst ein recht häufiger Lebensraum.
Die meisten Hofmarken waren eher klein und sahen typisch aus für niederbayerische Orte aus dem 14. bis 16. Jahrhundert – so auch die Hofmark Gern bei Eggenfelden. Im Kernbereich der Hofmark Gern standen um diese Zeit 15 Anwesen, darunter zwei Kirchen, das Pfarrhaus, ein Gasthof, Lager- und Wirtschaftsgebäude, Wohn- und Bauernhäuser sowie ein Schloss.
Gab es Schlösser oder Burgen in Hofmarken?
Häufig war ein Schloss oder eine Burg der Sitz des Hofmarkherrn und ein lokales Zentrum – wie in der Hofmark Gern, aber z. B. auch in Schönau.
Manchmal war aber auch schon zu Hofmarkzeiten dieser Sitz nur noch ein Burgstall, also eine aufgelassene Burg (z. B. in den Hofmarken Mitterskirchen, Geratskirchen). Der Herr der Hofmark hatte dann andernorts seinen Sitz.
Standen auch Frauen Hofmarken vor?
Hofmark-Inhaber waren stets Männer. Frauen war diese Position verwehrt, u. a. weil sie keine rechtsprechenden Positionen einnehmen konnten – das Hofmarkrecht war eine solche.
Dionys Asenkerschbaumer
Grabmal der Freifrau Anna von Closen in der Kirche St. Georg, Gern [Ausschnitt].
Gibt es heute noch Hofmarken?
Rechtlich gesehen: Nein.
1818 bzw. 1848 wurden Hofmarken staatlich aufgehoben.
Baulich gesehen: Ja!
So lässt sich am Ensemble der Hofmark Gern heute noch nachvollziehen, wie das Leben in einer Hofmark war.
luckyprof via Wikimedia Commons
Schlosspark der Hofmark Gern heute, mit Theatron; im Hintergrund ein Neubau an der Stelle des einstigen Neuen Schlosses.
Wo gab es Hofmarken und wem gehörten sie?
Hofmarken gab es nur in Altbayern (Ober- und Niederbayern) und im ehemals bayerischen Innviertel in Oberösterreich.
Hofmarken waren Lehen: Ein vom Landesherren an einen Adligen zur Verwaltung übergebenes Stück Land mit Dörfern. Mit der Lehensherrschaft ging die Verpflichtung einher, Abgaben für den Landesherren einzutreiben.
Wie groß waren Hofmarken?
Hofmarken hatten sehr unterschiedliche Größen.
An Hofmarken im ehemaligen Landkreis Eggenfelden wird dies anschaulich.
Die kleinsten Hofmarken waren einzelne Höfe, sogenannte „Sedel“, bei denen das Hofmarkrecht (die verliehene Niedergerichtsbarkeit) gerade einmal „bis zur Dachtrauf“ reichte (z. B. Bergham bei Mitterskirchen).
Etwas größere Hofmarken hatten um die 10 Anwesen (z. B. Atzing, Rattenbach, Schernegg).
Manche Hofmarken im Umfeld waren aber auch wesentlich größer; hier konnte es auch weit über hundert Anwesen geben (z. B. Schönau, Unterhausbach, Taufkirchen).
Size matters.
Die Größe von Grund war auch früher schon steuerrelevant.
Die seit dem Spätmittelalter übliche Einteilung bayerischer Höfe zur Steuererhebung war: Ein Hoffuß.
Er verweist auf die Größe des Hofes: ein ganzer Hof, ein halber Hof, ein viertel, usw..
75% der adeligen Grundherren besaßen - bezogen auf Hofmarken - unter 30 Hoffüßen. Nur neun adelige Familien besaßen in Bayern über 100 Hoffüße, oft verteilt auf mehrere Hofmarken.
Die größten Hofmarken gehörten Klöstern; das Kloster Niederaltaich z. B. besaß 731 Hoffüße.
Dionys Asenkerschbaumer
Kloster Niederaltaich
H.-P. Luibl
Schloss Arnstorf (Malerei auf Holz), Kaisersaal Schloss Arnstorf.
H.-P. Luibl
Ansicht von Schloss Arnstorf (Leinwandgemälde, 18. Jh., Schloss Arnstorf)
Wer herrschte in der Hofmark Gern?
Die Herrschaft über die Hofmark Gern bei Eggenfelden hatten jahrhundertelang die Freiherren von Closen - eines der mächtigsten regionalen Adelsgeschlechter - mit Stammsitz in Arnstorf.
Die Closen besaßen im 16. Jahrhundert 18 Hofmarken. Ende des 18. Jahrhunderts verfügten sie über 16 Hofmarken mit 341 grundbaren Bauern.
Zum Vergleich: Das einflussreiche altbayerische Adelsgeschlecht der Tattenbach hatte 310, das Kloster Aldersbach 348 Grunduntertanen.
Der Gerner Herrschaft waren außerhalb ihres Hofmark-Kernbereichs noch 210 Anwesen verpflichtet, die sich über 50 Siedlungen der Umgebung verteilten.
Wikimedia Commons
Michael Wening: Historico-Topographica Descriptio (entstanden 1692 bis nach 1718): Oberes Schloss in Markt Arnstorf.
Public domain, via Wikimedia Commons {{PD-US}}
Philipp Apian: Bairische Landtafeln, 1568; Tafel 15.
Was war besonders an Hofmarken?
Hofmarken hatten eine besondere rechtliche Stellung. Für das Gebiet einer Hofmark konnte ein weltlicher oder geistlicher Grundherr von seinem Landesherrn das Recht erhalten oder erkaufen, dort die niedere und freiwillige Gerichtsbarkeit auszuüben.
Damit prägten Hofmarken in Niederbayern und im Innviertel über Jahrhunderte die feudale Gesellschaft mit.
Die niedere Gerichtsbarkeit umfasste die Strafgerichtsbarkeit über alle minder schweren Vergehen sowie die Zivilgerichtsbarkeit, mit Ausnahme von Rechtsstreit um Grund und Boden.
Die freiwillige Gerichtsbarkeit bezog sich auf das Regeln notarieller Rechtsgeschäfte wie Inventar-Aufstellungen, Erbverträge und Erbteilungen, Vormundsatzungen.
Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, GNM Nürnberg
Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen: Bruder puchfelder (Buchfelder); pütel (Büttel; Gerichtsbote; Fronbote); Amb. 317.2° Folio 50 recto (Mendel I)
Hermann Junghans via Wikimedia Commons
Otto III. auf Straubinger Pfennig (katalogisiert Beierlein 34).
Warum gab es Hofmarken?
Der Begriff Hofmark taucht in historischen Quellen um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf. Erst im Laufe der Zeit entwickelte er sich zur Bezeichnung für das Gebiet einer Grundherrschaft, in der der Grundherr zugleich die niedere Gerichtsbarkeit ausübt.
Ursprung hierfür war die Ottonische Handfeste von 1311: Im Gegenzug für Einnahmen durch eine hohe Viehsteuer gestand der Wittelsbacher Herzog Otto III in seinem Teilherzogtum Niederbayern Städten, Märkten sowie klösterlichen und adeligen Hofmarken die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit zu. Etwa 200 Jahre nach der Ottonischen Handfeste wurden die Hofmarkrechte in ganz Bayern bestätigt (1508).
Seit 1553 gibt es ein einheitliches Hofmarkrecht. Es unterscheidet "nicht geschlossene" und "geschlossene Hofmarken"; bei letzteren übt der Hofmarkherr die niedere Gerichtsbarkeit auch über jene Höfe in seinem Gebiet aus, die nicht zu seiner Grundherrschaft gehören. Gern wurde 1560 eine geschlossene Hofmark.
Wie war die Rechtsprechung?
Das Privileg der niederen Rechtsprechung in einer Hofmark konnte gekauft, verkauft und verpfändet werden. Ein „Warencharakter“ für niedere Gerichtsbarkeiten war damals üblich. Außerdem wurden Richterämter bis in die frühe Neuzeit hinein regulär nicht mit Juristen besetzt. Die Rechtsprechung in einer Hofmark war also, modern gesprochen, zumindest in Teilen privatwirtschaftlich getragen – nicht staatlich.
greensefa via Wikimedia Commons
Mitglieder des EU-Parlaments demonstrieren dagegen, dass sie keinen Einblick in den Verhandlungsprozess von TTIP erhalten (Oktober 2014) [Ausschnitt].
Nicht-staatliche Gerichte gibt es auch heute: Schiedsgerichte, bei denen zwei Streitparteien die Schiedsrichter bestimmen und sich gegebenenfalls vertraglich einigen.
Heutige Beispiele finden sich im Rahmen von Freihandelsabkommen wie CETA (zwischen Europäischer Union und Kanada) und TTIP (zwischen der EU und den USA).
Welche Strafen gab es in Hofmarken?
Die niedere Gerichtsbarkeit, die ein Hofmarksherr ausüben durfte, umfasste die Strafgerichtsbarkeit über alle Vergehen, die keine peinliche Befragung (Folter als Verhörmethode) erforderten und die nicht mit Verstümmelung oder dem Tod bestraft wurden.
Die Gerichtsbarkeit in Spätmittelalter und früher Neuzeit war nach Herrschaftsstufen organisiert.
Die Hochgerichtsbarkeit stand nur dem Landesherrn zu: in Bayern, dem Herzog und später dem Kurfürsten; seit dem 13. Jahrhundert hatten sie die Ausübung Landrichtern übertragen.
Da es keine Hochgerichtsbarkeit in Hofmarken gab,
gab es auch weder Folterkammern noch Richtstätten in Hofmarken.
Wikibooks: Ethical Debates in Connected Culture 2019 / Sensitive Topics 1: Violence. yingjin via Wikimedia Commons
Illustration in einer Abhandlung über Cyber-Gewalt (2019).
Der Strafvollzug in Hofmarken erfolgte über Geld- oder Schandstrafen (z. B. Pranger).
Doch auch Schandstrafen der niederen Gerichtsbarkeit konnten langwierige, harte Folgen für das Leben von Betroffenen in Dorf- und Stadtgemeinschaften haben.
Der Amtmann einer Hofmark lieferte Personen, die vor ein Blutgericht gestellt werden sollten, dem zuständigen Landrichter aus. Der Landrichter (bzw. dessen Befugter) durfte die Hofmark jedoch nicht betreten. Deshalb gab es spezielle Orte der Übergabe in Hofmarken.
Der Ort der Übergabe wurde "Antwortstelle" genannt, weil man hier mutmaßliche Schwerverbrecher dem Landgericht überantwortete.
Für die Hofmark Gern lag die Antwortstelle am Grenzübergang zwischen Gern und Eggenfelden – etwa an der Stelle, wo heute die Umgehungsstraße B388 in die Pfarrkirchner Straße mündet.
OpenStreetMap; Bearbeitung: A. Schilz
Ungefähre Lage der einstigen Antwortstelle bei der Hofmark Gern (Eggenfelden).
Gab es eine Polizei in der Hofmark?
Die Polizei, wie wir sie kennen (als Teil der vollziehenden Gewalt des Staates), wurde erst im 19. Jahrhundert entwickelt.
Früher betrafen Polizeibefugnisse Belange von Handel, Gewerbe, Sauberkeit und Ordnung.
Die Ausübung dieser Befugnisse (Gewerbe-, Sicherheits-, Feuer-, Lebensmittel-, Sittenpolizei u.a.) gehörte zu den Rechten einer Hofmarkherrschaft.
Mattes via Wikimedia Commons
Schreibtisch eines Polizeiwachtmeisters in München (aufgenommen am 29.10.2005).
Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, GNM Nürnberg
Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen: Bruder Michel (Michael) Hainlein (Heinlein); frohnbott (Fronbote; Gerichtsdiener; Büttel); Amb. 279.2° Folio 76 verso (Landauer I)
Wer verwaltete die Hofmark?
Für das System der Rechtsfindung setzte die Herrschaft der Hofmark einen Hofmarkrichter ein (in Klosterhofmarken: Klosterrichter), dazu einen Gerichtsschreiber (Prokurator). Das Hofrichterhaus aus dem 17./18. Jahrhundert gibt es noch (Hofmark 23; heute: Bar-Gastronomie).
Auch die Verwaltung der Güter musste besorgt werden. Für kleinere Verwaltungstätigkeiten gab es einen hofmärkischen Amtmann, der manchmal auch im Nebenerwerb arbeitete.
Bei kleineren Hofmarken konnte der Hofmarkherr Verwaltungstätigkeiten der Rechtsprechung auch dem herzoglichen Landrichter oder einem benachbarten Hofmarkrichter übertragen.
Zu den Rechten der Hofmarkherrschaft, die über die Verwaltung der Hofmark umgesetzt wurden, zählte auch das Eintreiben von Steuern für den Landesherrn und die Durchführung der Musterung wehrfähiger Männer.
Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, GNM Nürnberg
Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen: Bruder johanes (Johannes); stulschreiber (Stuhlschreiber; Gerichtsschreiber; Stadtschreiber); Amb. 317.2° Folio 62 recto (Mendel I)
Wie stellte sich ein Hofmarkherr dar?
Auf die Stellung einer Hofmark und das Bild seiner Herrschaft verweist ein in der Hofmark Gern ausgeübter Brauch, den es auch in anderen Herrschaftsgebieten gab:
Seit dem frühen 16. Jahrhundert wurde ein „Georgiritt“ durchgeführt (23. April, Tag des Gerner Kirchenpatroziniums St. Georg; gleichzeitig auch Zeit des Gerner Marktes).
Google Art Project, Limbourg brothers, via Wikimedia Commons
Miniatur, Stundenbuch des Duc du Berry, entstanden 1412 bis 1416: Kalenderblatt, Mai [Ausschnitt]. Gebroeders van Limburg: Les Très Riches Heures du Duc de Berry, Ms.65, f.5v.
Dabei ritt der Hofmarkherr mit seinen adeligen Gästen - in voller Rüstung, mit Wimpeln und Fahnen - die Grenzen seiner Hofmark ab. Dieser Grenzumritt sollte die Ausdehnung des Herrschaftsbereichs deutlich zeigen.
Sicherlich hat man sich den „Geogiritt“ - bei Weitem - nicht so prächtig vorzustellen, wie es diese Illustration eines höfischen Ausritts bei Paris suggeriert. Aber die Miniatur der Brüder von Limburg aus dem weltberühmten Stundenbuch des Herzogs von Berry zeigt, wie ein Ideal adeliger Selbstdarstellung zur Zeit der Gotik aussehen konnte.
Wikimedia Commons
Michael Wening: Historico-Topographica Descriptio (entstanden 1692 bis nach 1718): Schloss und Hofmark Gern.
Leben in der Hofmark
An Hofmarken zeigt sich die feudale Gesellschaft "in Kleinformat".
Die Hofmark Gern bietet Gelegenheit, Schlaglichter auf das frühere Leben hier zu werfen.
Wo wohnte man?
Die Herrschaft wohnte im Schloss.
Vom Alten Schloss gibt es nur noch Reste, vom Neuen Schloss steht noch der Nordflügel.
Bedienstete und Untertanen wohnten in Einzel- und Doppelhäusern. Erhalten sind ein Mehrfamilienhaus mit vier Parteien (18. Jh.; Mühlenweg 6); ein Wohngebäude (19. Jh.; Hofmark 38) und ein Bauernhaus (18./19. Jh.; Gouverneur-Hahl-Platz 4).
H.-P. Luibl
Neues Schloss der Hofmark Gern. Kolorierte Postkarte, vor 1921.
Die Hofmarkherrschaft bewirtschaftete drei halbe Höfe in eigener Regie (Niedermühle, Obermayr, Mittermayr) – Huben.
Einer der Höfe, der Obermeierhof, bildet das westliche Ende des Dorfplatzes – dessen Wohnhaus, ein Stockhaus, ist in veränderter Form erhalten.
H.-P. Luibl
Ansicht der Hofmark Gern, Fotografie
anonymous (Queen Mary Master) via Wikimedia Commons
Miniatur, Queen Mary Psalter, entstanden 1310-1320: Kalenderblatt, August. British Library, Royal MS 2 B VII: The Queen Mary Psalter. 78v.
Musste man für die Herrschaft arbeiten?
Die Bewohner einer Hofmark gingen die meiste Zeit ihren Berufen nach und verdienten damit ihren Unterhalt.
Doch sie hatten, neben anderen Verpflichtungen gegenüber der Herrschaft, mindestens vier Tage im Jahr Scharwerkdienste zu leisten: Körperliche Arbeiten in einer Gruppe für die Besitzungen der Herrschaft, auch Hand- und Spanndienste genannt.
Hierfür gab es eine geringe Entlohnung und Verpflegung für Arbeiter und gestellte Tiere.
Zu den Rechten der Herrschaft gehörte auch die niedere Jagd auf den Gründen der Hofmark.
Dabei mussten Hofmarkuntertanen als Treiber dienen – eine (auch heute noch) nicht ungefährliche Tätigkeit.
Auf einzelnen Anwesen lagen noch gesonderte Verpflichtungen:
Flachsspinnen, einen Jagdhund halten, einen Kapaun (Mastgockel) oder ein Schwein mästen.
Der Wirt auf der Hofmarktaverne musste der Herrschaft Fleischwaren liefern,
der Bäcker Backwaren, der Bader ihr das Bad anheizen, sie rasieren und zur Ader lassen.
War man abhängig?
Die Hofmarkuntertanen erhielten in Gern ihr Anwesen bzw. Arbeit und Unterkunft auf Grundlage des Leibrechts. Es musste bei jeder Übergabe vom feudalen Grundherrn erneuert werden – darauf waren die Bewohner angewiesen.
Der letzte Freiherr der Closen, Karl von Closen (1786 Zweibrücken – 1856 Gern) wandelte als Herr der Hofmark Gern das Leibrecht in ein Erbrecht um.
Schülerinnen und Schüler des Karl-von-Closen Gymnasiums in Eggenfelden haben 2020 einen Film über das Leben ihres hoch geschätzten Schul-Namensgebers gemacht: Karl-von-Closen-Gymnasium Film.
Filmstill aus dem Karl-von-Closen-Gymnasium Film (2020): Der Hofmarksherr am Schreibtisch.
Der freiheitlich-kritisch denkende Jurist und Politiker Karl von Closen starb 1856 als letzter der Closen.
Seinem Vater, dem Freiherrn Ludwig von Closen, hatte er im Schlosspark von Gern ein Denkmal gesetzt. Das klassizistische Monument mit seinem komplexen Bildprogramm - unter anderem mit Bezug auf die US-amerikanische Unabhängigkeitserklärung - ist noch heute zu bewundern.
H.-P. Luibl
Historische Fotografie des Closen-Denkmals im Schlosspark der Hofmark Gern.
Nicht nur der sonntägliche Kirchgang, sondern das ganze Kirchenjahr bestimmten den zeitlichen Rhythmus von Herrschaft und Bewohnern maßgeblich mit.
Beide Kirchen in der Hofmark Gern, St. Georg und St. Sebastian, sind romanischen Ursprungs. Ihre Nutzungen und Bedeutungen waren jedoch sehr unterschiedlich.
Die zentral gelegene Kirche St. Georg wurde im frühen 15. Jahrhundert zur Pfarrkirche der Hofmark und wenig später im Stil der Zeit (gotisch) umgebaut. Viele kunstvolle Grabdenkmäler zeugen von der herrschaftlichen Nutzung.
Bei der Nebenkirche St. Sebastian (näher bei Eggenfelden) wurde 1613 ein Pestfriedhof angelegt. Erst 1770 wurde sie zeitgemäß (barock) umgestaltet und ausgeschmückt.
Der Pfarrer der Hofmark-Kirchen - St. Georg, direkt in Gern, und St. Sebastian mit Friedhof, nah bei Eggenfelden - bewirtschaftete einen halben Hof (Hochwimber, südlich der Siedlung Gern), eine Hube.
Der Pfarrhof stammt aus dem 17. Jahrhundert (Gouverneur-Hahl-Platz 6).
Gab es eine Hofmark-Schule?
In einem Gebäude bei der Kirche St. Sebastian gab es (ab der Neuzeit) bis 1802 eine Schule. Ab dann wurden in Bayern die allgemeine Schulpflicht und säkulare Schulen eingeführt. Ab 1908 war die Schule im Gebäude der Hofmarktaverne untergebracht.
BSB München, Magazin 1701-1840; Don.Lud. XIV,2. Digitalisat: MDZ
Inhalt des Buches "Die landwirthschaftliche Erziehungs-Anstalt in Gern, königl. baier. Landgerichts Eggenfelden, im Unterdonaukreise" von K.-F. von Closen (1825).
Der aufgeklärte, politisch aktive Hofmarkherr Karl von Closen gründete 1825 eine besondere Art von Schule in der Hofmark: die landwirtschaftliche Erziehungsanstalt, zu der er auch ein Buch verfasste.
Mit dieser Schule wollte er der jungen Generation der (zeitbedingt: männlichen) Hofmarkbewohner - modern gesprochen - Möglichkeiten zur Selbstermächtigung bieten. Doch es gab diese Schule nicht lange.
Wie wurde gewirtschaftet?
Hofmark(en) als autarkes Wirtschaftsgebiet entwickeln, in dem der Bedarf des eigenen Binnenmarktes gedeckt wird und sogar attraktive Produkte für den „Export“ hergestellt werden: Genau das war es, was viele Hofmarkherren zunehmend wollten.
Deshalb etablierten sie auch besonders vielversprechende Wirtschaftszweige: Etwa eine Tuchherstellung, die von eigenen Beamten geleitet wurde (z. B. „Schlossmayer“).
H.-P. Luibl
Ansicht von Gern (Malerei auf Holz), Kaisersaal Schloss Arnstorf
Im 19. Jahrhundert, der späten Hofmarkzeit, hatten die Closen in Gern etliche Betriebe entwickelt:
Eine Zuckerrübenfabrik (1831 abgebrannt)
eine Seidenspinnerei (einst im Gebäude der Hofmarktaverne)
ab 1800, eine zunehmend ausgebaute industrielle Brauerei.
Heute wird das Brauereigebäude als „digitales Innovationszentrum regioLAB Bayern“ umgenutzt. Das Unternehmen hat damit auch etwas vom Spiritdes Hofmarkwesens: Profitabel wirtschaften und Entwicklungen wahrnehmen.
regioLAB Bayern: Impressionen vom Bau des regioLAB Stand August 2022; regioLAB Bayern GmbH Co. KG; URL: https://regiolab-bayern.de/
H.-P. Luibl
Die "Freiherr von Closensche Brauerei" in der Hofmark Gern, um 1906.
Wikimedia Commons
Michael Wening: Historico-Topographica Descriptio (entstanden 1692 bis nach 1718): Schloss und Hofmark Gern [Ausschnitt: St. Georg, Kasten, Mühlengebäude].
Wo wurde gewirtschaftet?
Das Hofmark-Konzept mit sich ergänzenden Wirtschafts- und Lagergebäuden war tragend für ein effektives Wirtschaften.
Ganze oder teilweise Abrisse sowie Überbauungen und Umnutzungen über die Jahrhunderte waren üblich. Viele Gebäude aus jüngerer Zeit haben deshalb ältere Baukerne (bzw. dürfen öfters solche angenommen werden).
Das Brauereigebäude aus dem 17. bis 19. Jahrhundert wird umgenutzt (RegioLab Bayern).
Im Ökonomiehof (wohl späteres 18. Jh./19. Jh.) hat heute die Gutsverwaltung ihren Sitz.
In der Remise (ein Gebäude für Geräte und Wägen; 19. Jh.) ist heute die Städtische Musikschule.
Ställe des Hofmarkherrn waren ein Rossstall (19. Jh.; heute: Kulturraum) und ein Bullenstall (18. Jh.; heute: Architekturbüro).
Die Mühle der Hofmark (teils auch als Remise bezeichnet) gibt es noch (Hofmark 54; 2023 leer stehend). Auf dem Stich von Michael Wening (1721) ist deutlich ein Gebäude an dieser Stelle sichtbar, gelegen an einem damals bestehenden Wassergraben.
Welche Berufe gab es?
Es gab Bedienstete (Diener, Verwalter, Schreiber, Richter, Amtsmänner), Handwerker, Bauern, Wirte, Pfarrer, später auch Lehrer.
Müller, Bäcker und Schmied bewirtschafteten nebenberuflich je einen Achtelhof – mit dieser Hoffußgröße waren sie Gütler.
Sechs Kleinbauern bewirtschafteten je Sechzehntelhöfe – sie waren damit Häusler.
Einer von zwei Badern, genannt „Bader bei der Rott“, war im heutigen Haus mit der Gastronomie „Unterwirt“ (Hofmark 27; 18. Jh.) ansässig.
Das Gebäude der Hofmarktaverne (Hofmark 34-40), heute „Oberwirt“ genannt, wurde zwischenzeitlich auch anders genutzt (bzw. Teile davon): als Seidenspinnerei und als Schule.
Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, GNM Nürnberg
Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen: Bruder linhart (Linhard; Lienhard) schmeltzer (Schmeltzer); balbirer (Barbier; Bader); Amb. 317.2° Folio 117 recto (Mendel I)
Wo ging man aus?
In der Hofmarktaverne gab es im großen Kellergewölbe den Märzenbierkeller.
Der Wirt der Hofmarktaverne war zugleich Metzger – eine Berufskombination, die bis in jüngster Vergangenheit häufig war. Noch 2014, als der Gasthof leer stand, war die Aufschrift lesbar: „Hofwirtschaft u. Metzgerei der Schloßbrauerei Gern“.
H.-P. Luibl
Hofwirtschaft Gern, historische Aufnahme
luckyprof [selbst fotografiert], via Wikimedia Commons
Oberwirt, Gern (Eggenfelden), Aufnahme von 2014 (Leerstand), vor der Sanierung 2019.
Ludger Drost
Das Gebäude des "Oberwirts" nach der Sanierung, mit zahlreichen zusätzlichen Gauben im Dach.
Historische Fotografie der Situation am Anger (Dorfplatz), Gern.
Anlass zum Ausgehen gab es auch während des Gerner Marktes im Frühling: Die Hofmarkbewohner hatten noch bis ins 19. Jahrhundert hinein das Recht, zur Marktzeit in ihren Häusern Bier auszuschenken. Es gab bis zu 25 solcher „Häuselschenken“, Ende des 19. Jahrhunderts waren es immer noch 21.
Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, GNM Nürnberg
Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen: Bruder Mertein (Martin) Pfragner; Pfragner (Krämer; Kleinhändler); Amb. 317.2° Folio 19 verso (Mendel I)
Wo ging man einkaufen?
Viele Dinge des täglichen Bedarfs wurden in der Hofmark produziert und verkauft. Besonderes oder besonders Günstiges aber bot ein großer, erfolgreicher Jahrmarkt im Frühjahr: Der Gerner. Käufer und Verkäufer kamen 1553/56 von Nah und Fern, z. B. aus Augsburg, Tacherting, Altötting, Mattighofen und Ering.
Unter den teilnehmenden Kaufleuten fanden sich so große Handelshäuser wie die Fugger und die Welser aber auch „Quacksalber, Steinschneider und Zahnbrecher und, nicht zu vergessen, die Gaukler“ (Haushofer).
Der Gerner Markt
1348 erhält das Adelsgeschlecht der Closen, Herrschaft der Hofmark Gern für Jahrhunderte, vom bayerischen Herzog das Recht um den Georgstag (23. April, Tag des Kirchenpatroziniums in Gern) einen Markt zu halten, der wohl schon vorher bestand.
Dessen Dauer betrug im 16. und 17. Jahrhundert fünf Tage, später acht bis 14 Tage, und seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Woche.
Längs zum großen Bau der Hofmarktaverne befand sich der „Anger“, ein von einer Allee eingefasster Dorfplatz, der zum Abhalten des „Gerners“ und anderer Märkte diente.
H.-P. Luibl
Historische Postkarte, zweigeteilt: Oben, Anger; unten: Gerner Markt im Umgriff der Siedlung.
Warenwelten früher
Am Gadenmarkt, einem Teil des „Gerners“, zeigt sich, welche Waren zu Hofmarkzeiten in Niederbayern gefragt waren.
Dieser Teil des Marktes fand auf dem Dorfplatz statt – in Häusern und Werkstätten (Gaden bedeutet: kleines Anwesen), aber auch in Holzbuden und teilweise mit festen Stellplätzen. Dazu gehörte der Garn- und Wullengewand-Markt für Wolle, Bekleidung und Stoffe. Gehandelt wurden aber auch z. B. Hafnergeschirr, Paramente, Brokate, Silber- und Goldgefäße.
Unabdingbar war früher auch ein Viehmarkt. Beim „Gerner“ fand er entweder auf dem „Anger“ statt - dem Dorfplatz - oder einem ihm nahe gelegenen Teil der „Griesenwiese“ (seit der Rott-Regulierung 1925 nicht mehr bestehend), aber mitunter auch auf Brachflächen der Schlossökonomie.
Um den ebenso wichtigen Markt für Pferde auf dem „Gerner“ gab es im 16./17. Jh. immer wieder Streit zwischen Eggenfelden und Gern. Beide Herrschaften richteten jeweils einen Rossmarkt aus. Streitgrund waren die anfallenden Zolleinnahmen, wenn die Tiere über die jeweiligen Territorien auf die Märkte getrieben wurden.
BayernAtlas. Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung
Historische Karte vom Gebiet der Hofmark Gern (Eggenfelden): Bayerische Uraufnahme (1808-1864).
OpenStreetMap. Bearbeitung L. Drost
Hofmark Gern mit Gebäudebezeichnungen.
Geschichte der Hofmark Gern
Die Hofmark Gern hat heute den Status als geschütztes Ensemble.
Einzelne Gebäude stehen unter Denkmalschutz.
Wikimedia Commons
Michael Wening: Historico-Topographica Descriptio (entstanden 1692 bis nach 1718): Schloss und Hofmark Gern [Ausschnitt: Altes Schloss auf dem Kellerberg].
Der Name
Der Herrschaftsbereich Gern war vielleicht schon im 6./8. Jahrhundert Fiskalgut (Eigentum der Merowinger- bzw. Karolingerkönige).
Im 12. Jahrhundert gehörte das Gebiet einem Ortsadelsgeschlecht, das hier seine Stammburg errichtet hatte. Sie nannten sich „de Geren“. Der Name bezog sich auf die Lage der Stammburg: auf einer Landspitze zwischen zwei Wasserläufen; in diesem Fall: der Rott und dem Geratskirchener Bach (auch Gera, Hirschhornbach oder Tiefstadtbach genannt).
Die mutmaßliche Situation der ersten Burg in Gern mag als typisch gelten für eher kleine, pragmatische Burgbauten, wie sie im Mittelalter häufig waren:
Turmburgen auf (künstlichen) Hügeln, mit (Wasser)Gräben darum. Sofern die kleinen Burgen nicht über kurz oder lang wieder verschwanden, konnte eine typische Entwicklung der Ausbau zu einer größeren Burganlage sein. In Gern wurde die erste Burg zum stattlichen Alten Schloss erweitert.
Die Wittelsbacher
Im Jahr 1260 gehörte die Burg einem Konrad von Lukkenpurch. Er verkaufte sie dem Wittelsbacher Herzog Heinrich XIII. von Niederbayern (reg. 1253-1290).
Heinrich XIII. war der erste Herrscher über das bayerische Teilherzogtum Niederbayern (existent 1255 bis 1340), mit der Residenzstadt Landshut.
Seit dem Kauf Mitte des 13. Jahrhunderts waren die Herzöge aus dem Haus Wittelsbach Eigentümer von Gern.
Die Wittelsbacher ließen die Herrschaft Gern zunächst durch herzogliche Richter verwalten.
Philipp Hienstorfer via Wikimedia Commons
Burg Trausnitz in Landshut, einst Herzogssitz.
Die Closen
Anfang des 14. Jahrhunderts, 1315, wurde Gern als herzogliches Lehen an die Reichsfreiherren von Closen zu Arnstorf übergeben,
genauer: an Alban den Closner zu Gern, Arnstorf, Stubenberg und Aufhausen.
Der erste Lehnsbrief stammt allerdings erst aus dem Jahr 1348.
Die Closen zu Arnstorf werden erstmals 1130 genannt. 1253 erscheint Wernhardus Closner in einer schriftlichen Quelle.
Die Geschichte von Schloss Arnstorf ist eng mit den Closen verknüpft, die „wahrscheinlich aus dem Geschlecht von Mühlberg abstammen.“
Das Wappentier der Closen ist ein Uttenschwalb.
Wikimedia Commons
Wappen der Closen, Variante der Gerner Linie (aus: Scheibler'sches Wappenbuch, älterer Teil Bayern, 1450 – 1580).
Der Uttenschwalb
Zum Namen der Closen und ihrem Wappentier, dem Uttenschwalb, gibt es eine Ursprungssage. Eine ihrer Varianten:
Jörg von Mühlberg siegt im Turnier und verliebt sich in die den Preis überreichende Grafentochter Sigaun von Leonsberg (der Ort gehört heute zu Pilsting). Gegen den Willen von Sigauns Vater heiraten die beiden nach 1132 und leben in einer Klause - etwa: einem Einzelhof - in den Isarauen bei Deggendorf. Als Sohn Jörg später auf die (einst vom verärgerten Großvater verwüsteten) väterlichen Besitzungen zurückkehrt, nennt er sich „der Klausner“: daher Closner bzw. Closen.
Der junge Jörg hatte ein Lieblingstier im Auenwald, den „Uttenschwalb“; er ist seit 1241 im Wappen der Closen. Dieser in der Heraldik gängige schwarze Wappenvogel ist biologisch kaum zuordenbar.
Karl-von-Closen Gymnasium, Eggenfelden
Uttenschwalb „Karlchen“, Maskottchen des Karl-von-Closen Gymnasiums in Eggenfelden.
Ludger Drost
Am Kellerberg heute.
Die Hofmark
Zwischen 1390 und 1421 vergrößerten die Closen als Lehnsherren das Gebiet von Gern durch Käufe.
Etwa zu dieser Zeit, im Laufe des 14./15. Jahrhunderts, entwickelte sich Gern zu einer Hofmark.
Erst 1560 wird Gern aber als geschlossene Hofmark bezeichnet, mit dem Alten Schloss als herrschaftliches Zentrum
(herrschaftliche Bauten waren übrigens nicht immer Bestandteil von Hofmarken, Wirtschaftsgebäude aber schon).
Das von der Hofmarkherrschaft der Closen geformte Einzugsgebiet von Gern reichte vom Ortsteil Rußhäusl auf der rechten Seite der Rott bis Altenburg mit dem heutigen Bürgerwald auf der linken Flussseite. Altenburg war ehemals ein eigenes Ritterlehen des Hochstifts Salzburg mit einer nicht mehr lokalisierbaren Burg.
Auf der noch erhaltenen Insel, die nicht öffentlich zugänglich ist, steht ein Neubau. In ihn wurden Mauerreste des Alten Schlosses einbezogen. Auf dem Dachreiter des Torbaus ist ein Scheyerer Kreuz anbebracht - ein Verweis auf die Wittelsbacher.
Der Bestand
Die Hofmark Gern zeigt eine pragmatische, vielseitige Anlage mit sich funktional ergänzenden Wirtschafts- bzw. Lagergebäuden.
Hinzu kamen herrschaftliche und kirchliche Bauten sowie Wohnhäuser bzw. Bauernhöfe.
Die Funktionen von Gebäuden und deren Architektur wechselten dabei: Mal wurde Neues dazu gebaut, aber auch Neues auf Altes gebaut oder Altes umgenutzt.
In der Hofmark Gern finden sich deshalb z. B. keine „rein gotischen“ oder „rein barocke“ Bauten; praktisch jedes Gebäude beinhaltet Baustufen mehrerer Jahrhunderte.
Auch die repräsentativen Massivbauten mit steilen Satteldächern, Gotischer Kasten und Hofmarkstaverne (Hofmark 34-40),
sind lediglich grob als spätmittelalterlich/frühneuzeitlich einzuordnen. Ähnlich verhält es sich bei Bauten jüngeren Datums.
Dennoch kann zur groben Orientierung im Raum der Hofmark Gern eine stark abstrahierende Einordnung der Gebäude vorgenommen werden.
Entscheidend dafür ist jeweils das vornehmliche Erscheinungsbild, nicht der älteste datierte Baukern.
Andrea Schilz, für die Stadt Eggenfelden
Geländeplan des Kernbereichs der Hofmark Gern, mit skizzierter chronologischer Zuordnung von Gebäuden (Gotisch – Neuzeitlich – 19. Jahrhundert – Modern).
H.-P. Luibl
Ansicht der Hofmark Gern von Süden; deutlich erkennbar: die Inselsituationen (Leinwandgemälde, 18. Jh., Schloss Arnstorf).
Die Gestaltung
In der Hofmark Gern gab es außer Bau- auch Landschaftsarchitektur. Sie bezieht sich nicht nur auf Teile des im 18. Jahrhundert angelegten Schlossparks (Bereich des Theatrons) mit dem Ludwig von Closen-Denkmal aus dem 19. Jahrhundert:
Durch das Anlegen von Kanälen wurden im Osten der Hofmark zwei hintereinander liegende künstliche (Halb)Inseln geschaffen (vermutlich 12./13. Jahrhundert). Eine davon, die hintere, ist erhalten.
Die erste Halbinsel, auf die eine Brücke mit Torhaus führte, besteht nicht mehr – der entsprechende Wassergraben ist zugeschüttet. Die Gebäude auf der Insel, noch heute lesbar als Verbund: Gotischer Kasten, Ökonomiehof und die gotische Kirche St. Georg. Rückseitig führt zwischen Ökonomiehof und Kirche eine Brücke auf die bestehende zweite Insel, genannt „Kellerberg“. Auf ihr lag einst das Alte Schloss, das zerstört und im 18. Jahrhundert aufgegeben wurde.
Beide Inseln lagen im Mündungszwickel zwischen Rott und Gera, umspült von Wasser dieses Baches durch einen heute noch bestehenden Zulaufkanal.
Auf der noch erhaltenen Insel, die nicht öffentlich zugänglich ist, steht ein Neubau. In ihn wurden Mauerreste des Alten Schlosses einbezogen.
Die heutige Situation der einstigen ersten Insel: Gotischer Kasten, die Kirche St. Georg und Wirtschaftsgebäude.
Dionys Asenkerschbaumer
Kernbereich der Hofmark Gern.
H.-P. Luibl
Die Hofmark Gern, Luftbildaufnahme (vor 1921). Noch existiert kein Neubau auf der Insel "Kellerberg". Im Vordergrund: das Neue Schloss.
Zerstörung
Das auf der älteren Gerner Burg aufbauende Alte Schloss wurde zweimal bei Kriegsgeschehen zerstört: im 17. Jahrhundert (Dreißigjähriger Krieg, zweimalige Plünderung der Hofmark) und im 18. Jahrhundert (1742, Österreichischer Erbfolgekrieg).
Um 1720 wurde südwestlich in der Hofmark Gern ein ummauerter Park mit dem Neuen Schloss und einer Auffahrtsallee angelegt. Vom Neuen Schloss (Im Schloßpark Gern 2) ist nur der Nordflügel erhalten. Haupttrakt und Südflügel des Schlosses brannten 1921 ab. Heute schließt am Nordflügel ein Neubau an, der Grundriss und Proportionen von Haupttrakt und Südflügel aufnimmt.
H.-P. Luibl
Historische Aufnahme von Gern; im Vordergrund das Neue Schloss.
H.-P. Luibl
Historische Aufnahme, Ansicht des Neuen Schlosses, Gern.
H.-P. Luibl
Historische Aufnahme, Ansicht des Haupttrakts des Neuen Schlosses, Gern.
H.-P. Luibl
Historische Aufnahme, schmiedeisernes Tor des Neuen Schlosses, Gern.
H.-P. Luibl
Historische Aufnahme, Innenraum-Ansicht des Neuen Schlosses, Gern.
H.-P. Luibl
Historische Aufnahme, Innenansicht des Großen Saals im Haupttrakt des Neuen Schlosses, Gern.
Im Neuen Schloss befand sich auch das Adelsarchiv der Closen, es wurde beim Brand 1921 völlig vernichtet. Damit gingen wertvolle historische Quellen verloren, die viel zum Wissen um die Hofmark-Geschichte (nicht nur der von Gern) beitragen hätten können.
Ludger Drost
Erhaltener Nordflügel des Neuen Schlosses.
Auflösung
1821 wurden Hofmarken in Patrimonialgerichte umgewandelt, in denen adelige Grundherren weiterhin Gericht halten und notarielle Rechtsgeschäfte vornehmen konnten – auch in Gern. Dies änderte sich jedoch im Revolutionsjahr 1848, als Maximilian II. seinen Vater Ludwig I. als König ablöste: Die Patrimonialgerichte in Bayern wurden aufgehoben.
Karl Friedrich von Closen erlebte als letzter Hofmarkherr in Gern die Umwandlung in Patrimonialgerichte und die Auflösung der Hofmarken.
Dass Hofmarken noch knapp drei Jahrzehnte als Patrimonialgerichte weitergeführt wurden, mag bezeichnend sein für die Zeit des Biedermeier:
Konservative vertraten alte Ordnungen. Liberale wollten dagegen einen republikanischen, demokratischen Staat - Karl von Closen gehörte entschieden zum Lager der Reformer. Die endgültige Auflösung des feudalen Hofmarkwesens 1848 war ein Reformschritt, bevor ab 1849 wieder konservative Kräfte vorherrschten.
Wikimedia Commons
Porträt-Lithographie des Freiherren Karl-Friedrich von Closen, von Franz Hanfstaengl (1825).
Stadt Eggenfelden
Die Gerner Dult heute.
Heute
Die Hofmark Gern wurde 1818 in zwei politische Gemeinden geteilt. Gern I bildete den Kern mit dem Hofmarkdorf, Gern II das Umland.
Mit der Gebietsreform im Freistaat Bayern 1972 wurden Gern I und Gern II Teil der Stadt Eggenfelden.
Literatur
Doeberl, M[ichael]: Entwicklungsgeschichte Bayerns. München 1906
Karlinger, Hans (Bearb.): Die Kunstdenkmäler von Niederbayern. Bd. 8: Bezirksamt Eggenfelden. München 1923 (Die Kunstdenkmäler von Bayern)
Hochholzer, Adolf: Die Niedergerichtsbarkeit in den Märkten, Hofmarken und Dörfern der Rottaler Landgerichte. In: Heimat an Rott und Inn 1969, S. 97−110.
Lubos, Rita (Bearb.): Das Landgericht Eggenfelden. München 1971 (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, H. 28)
Helwig, Otto (Bearb.): Das Landgericht Landau a. d. Isar. München 1972 (Historischer Atlas von Bayern. Altbayern 30)
Helm, Winfried: Obrigkeit und Volk. Herrschaft im frühneuzeitlichen Alltag Niederbayerns, untersucht anhand archivalischer Quellen. Passau 1993 (Passauer Studien zur Volkskunde 5)
Haushofer, Josef: Die Hofmark Gern. In: Das Rottal. Heimatbuch, hg. v. Dieter Vogel. Vilsbiburg 22001. S. 46−49.
Haushofer, Josef: Geschichte von Eggenfelden. Eggenfelden 32002
Vogel, Dieter: Rottal-Inn. Kunst- und Kulturführer. Vilsbiburg 2005.
Weithmann, Michael: Burgen und Schlösser in Niederbayern. Straubing 2013.
Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.): Bayerischer Denkmal-Atlas. Die Online-Version der Bayerischen Denkmalliste. URL: https://geoportal.bayern.de/denkmalatlas/